Mittwoch, 18. Juli 2012

Mittwochs-Rezi: Die Glasbücher der Traumfresser von Gordon Dahlquist


4 von 5 Eselsohren

Heute gibt es Steampunk von der unterhaltsamen Sorte. Jule Verne und Mary Shelley werden munter mit Jane Austen und Arthur Conan Doyle gemischt. Heraus kommt eine spannende Geschichte, die überdreht und oft frivol ist. Außerdem hat das Buch einen Clue in der Aufmachung: nicht in einem Stück gebunden sondern in Groschenroman-Optik im Schuber kommen die Kapitel daher. Rundherum eine originelle Ergänzung meiner Bibliothek.


Ein wenig schmerzfrei muss man als Leser allerdings sein. Dahlquist verfolgt die Groschenroman-Idee bis ins Detail und spart weder an Stereotypen noch an Blut und Schweiß. Was Wild Wild West für Westernfans, mögen die Glasbücher für Austenfans sein. Wer mit dem Steampunk-Bruch leben kann, bekommt herrliche Unterhaltung, wer es nicht kann, wird das Buch hassen.




Verpackung und Aufmachung gehören bei diesem Buch unbedingt zum Lese-Erlebnis. Ich rate daher dingend von der Taschenbuchausgabe ab. Für Ordnung im Bücherregal sorgt der schöne Schuber, dessen Design die Einzelhefte übernehmen. Die gibt es übrigens nicht separat zu kaufen. Es handelt sich um einen Kunstgriff der Büchermacher und ich bin mir sicher, sie haben sich was dabei gedacht.

Alle schön in einem Schuber.  Groschenheftfeeling!

Die Haptik der dünnen Bändchen trug für mich sehr zur Spannung bei. Vergleichbar ist der Effekt vielleicht dem Gefühl, wenn man die Staffel einer Serie auf einmal auf DVD schaut. Kapitel werden nicht reibungslos nacheinander gelesen, stattdessen wird das Heft geschlossen, weggelegt, das neue herausgeholt. Das ergibt viele Enden und viele Anfänge, viel rauskommen und reinfinden - natürlich verändert das die Wahrnehmung der Story.

Die Rückseiten teasen das nächste Kapitel an,


Der Plot muss sich aber auch nicht verstecken. Vor den Stereotypen hab ich euch ja schon gewarnt. Doch Dahlquist baut mit solcher Lust und Laune seine verschachtelte Geschichte um sie herum, dass ich viel Spaß dabei hatte.

Zwei Personen kommen von Außen ins pulsierende London. Zum einen der Kardinal, ein blutrot und klerikal gekleideter Killer mit dubiosen Absichten, zum anderen die resolute aber naive Miss Temple mit einer Vorliebe für grüne Schuhe, die ihren entsprungenen Galan wieder einzufangen gedenkt. Dabei geraten beide in den Unterbau der gehobenen gesellschaftliche Kreise der Stadt.

Die dortigen Akteure haben neben Intriegenschmiedekunst und wilden Liebschaften gerade ein neues, exklusives Hobby entdeckt: die mysteriösen Glasbücher.Was es mit denen auf sich hat entfaltet sich bei wechselnden Perspektiven vor der Kulisse samtverhangener Boudoirs, kalter Gewölbekeller, verschwiegener Parks, stampfender Züge, dreckiger Bordelle und chromblitzender Alchemistenzimmer. Herrlich!

Jedes einzelne Kapitel ist liebevoll und stilsicher aufgemacht.

Die Fortsetzung (Das Dunkelbuch) sollte man sich übrigens schenken. Als simples Buch aufgemacht, wird da trotzdem diese Groschenroman-Taktik des ewigen Sich-hinziehens total überzogen. Finger weg!

 Im Schuber bei Blanvalet HC ISBN 978 3 764 50278 2
Als Taschenbuch bei Blanvalet ISBN 978 3 442 37274 4

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