Mittwoch, 27. Juni 2012

Mittwochs-Rezi: Bartimäus von Jonathan Stroud


5 von 5 Eselsohren

Eine mitreißende Story, die hin und wieder Potterfeeling aufkommen lässt, zugleich aber vor Ironie und angeberischen Randbemerkungen nur so strotzt. Die "Bartimäus"-Reihe bringt die Fußnoten zu neuem, nie geahntem Glanz.  Eine kleine Perspektivenverschiebung macht das Buch originell, der Plot hat Spannung und Witz – was will man mehr? Es ist unterhaltsam und gut.

Gestatten? Bartimäus!

Ein kleiner Zauberer ruft einen großen Dämon herbei, um sich vor der Welt zu beweisen. Habt ihr euch eigentlich schon mal gefragt, wie sich der Dämon dabei fühlt? Groß! Allmächtig! Ruhmbekleckert! steigt er aus der anderen Sphäre auf die Erde... und vor ihm steht ein kleiner Bengel mit großen Augen und ohne einen Funken Professionalität. Aber immerhin: Die Beschwörung ist wasserdicht und der große Bartimäus muss ihm von nun an dienen. Vorhang auf für originelle Jugendfantasy.



Teil 1: Das Amulett von Sarmakand
Alles beginnt als trotzig geplanter Rachefeldzug eines kleinen Magiers in Ausbildung. Der etwas sehr von sich selbst eingenommene Nathanael aus London beschwört einen Dämon, um leichter einen Diebstahl begehen zu können. Und frei nach seinem Lebensmotto "Nicht kleckern - klotzen!" bindet er ein wirklich mächtiges Exemplar an sich. Dabei soll nur ein popeliges Schmuckstück gestohlen werden. Der Größenwahn hat aber auch seine guten Seiten, denn leider sticht Nathanael mit dem Raub in ein Wespennest oder vielmehr mitten in eine Staatsverschwörung. Anstatt den Dämon wie geplant nach dem Raubzug supercool zu entlassen, muss Junge plötzlich um sein Leben kämpfen. Wer ließe da einen monströsmächtigen Bartimäus aus der Welt entfleuchen? Eben. Und wenn der noch so jammert.

Stroud kann neben witzigen Dialogen und Dämonenwutanfällen vor allem erstklassige Hollywood-Action aufs Papier bannen. Und zwar so, dass es richtig Spaß macht. Nicht so billiges „Ach, der will das nur verfilmt sehen“-Action-Imitat sondern was mit Wumms.

Den ersten las ich geliehen und bekam ihn später als Clubausgabe.

Teil 2: Das Auge des Golem
Diesmal geht es – der Titel lässt's vermuten – bis nach Prag und auch diesmal klotzt Stroud mit Verschwörungen, Verfolgungsjagden und Action. Bartimäus ist immer noch auf der Erde - nachdem er Nathanael zu Macht, Karriere und Ansehen verholfen hat, steht der mächtige Dämon nun nicht mehr in den Diensten eines ahnungslosen Lehrlingtrottels sondern in denen eines unsympatischen Emporkömmlings. Begeisterung auf beiden Seiten ist also vorprogrammiert.

Gut für den Leser, dass im zweiten Band das Mädchen Kate auftaucht. Ihre sympatische Figur rettet das Buch, denn bei allem Sarkasmus und bei aller Zuneigung zu Bartimäus - schön ist es nicht, wenn der Plot einem Protagonisten folgt, der so dumm und arogant ist, wie der junge Magier Nathanael.

Leichte Bibliophilie: Cover mit Gold und Glanzelementen.

Teil 3: Die Pforte des Magiers
Was hab ich am Ende gejubelt. Stroud hats geschafft, eine Trilogie wirklich Trilogie werden zu lassen! Er hat sich in Umfang und Erzälperspektiven beschränkt und ein wirklich rundes Stück Literatur abgeliefert. Er führt alle Erzählstränge zu Ende, er entlässt jeden Charakter und schafft es dabei, auch im dritten Band eine Geschichte zu erzählen, die voll trägt. Sogar so gut trägt, dass es meiner Meinung nach der beste Band in der Dreierreihe ist. 

Heute ist es schon eine Kunst, ein gehypte Jugendbuchreihe so souverän und erzählerisch so sauber zu beenden. Und nebenbei heult man Rotz und Wasser.

Band 3 hab ich als broschiertes Vorabexemplar.
Schön, dass auch dieses die optische Linie einhält.

Teil 4: Der Ring des Salomo (oder eigentlich Teil 0)
Nachschlag. Als ich davon hörte, hab ich erstmal die Augen verdreht. Aber dieses Buch ist mehr ein Best of der Vorgänger. Auch wenn es manchmal etwas dahingeschludert daherkommt, hatte ich viel Spaß beim Lesen - wahrscheinlich, weil es mir so ging wie dem Autor. Von dem "netten" Dämon mochte ich mich nach 3 Bänden dann irgendwie doch noch nicht trennen. Ich könnte ihm ewig zuhören.

Zeitlich spielt "Der Ring des Salomo" vor den anderen Bänden, doch sollte man ihn nicht als erstes lesen. Im Grunde lebt er von den vielen Seitenhieben, „Weißt-du-noch“s und löst als Goodie so manches Mysterium auf, dass die anderen Bände als Mysterium brauchten.

Die Handlung: Die naive Anfänger-Magierin Asmira muss den böse Zauberer (aka Großer Gütiger Salomo) besiegen. Die Zutaten: Fiese Dämonen, gemeine Sprüche, gewohnt witzige Fußnoten, Kämpfe auf Leben und Tod... Bartimäus-Leser kennen das inzwischen. Sollte Stroudt einen weiteren Band vom Team Asmira/Bartimäus nachlegen wollen, mache ich mir allerdings ernste Sorgen um die zukünftige Story.

Warum das Rad neu erfinden? Eben. Auch Band 4 bleibt auf Linie.

Fazit
Eine tolle Fantasy-Magic-Jugendbuchreihe, die aus dem üblichen Post-Potter-Sapsch heraussticht. Originell, mit viel Wissen zu Kultur und Aberglauben und darüber hinaus einfach ein Riesenspaß. Lesen!

Bei cbj erschienen
Alle Bände gebunden :
Band 1 ISBN 978 3 570 12775 9
Band 2 ISBN 978 3 570 21853 2
Band 3 ISBN 978 3 570 12777 3
Band 4 ISBN 978 3 570 13967 7
Inzwischen auch als Taschenbuch, Hörbuch und Graphic Novel erhältlich.

Warnung
Die Hörbücher sind gekürzte Lesungen, deren Kürzung all zu simpel gedacht ist. Man ließ die Fußnoten weg. Und nimmt damit dem Buch einen entscheidenden Anteil an Profil und Witz. Schade. Aber immerhin haben sie nach dem 1. Band von Martin Semmelrogge zu Gerd Köster als Sprecher gewechselt.

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