Mittwoch, 6. Februar 2013

Mittwochs-Rezi: Erebos von Ursula Poznanski

4 von 5 Eselsohren

Es ist ein Multiplayer-Rollenspiel, das plötzlich an einer Londoner Schule kursiert. Lehrer werden Misstrauisch, Freundschaften zerbrechen, doch die Spieler halten dicht. Der Leser erlebt den Hype durch die Augen des 15-jährigen Nick. Die Spiel-Logik treibt die Schüler in eine gefährliche Abhängigkeit und greift immer wieder auf die Realität über. Das Spiel scheint lebendig.

Das Leseerlebnis liegt für mich irgendwo zwischen Morton Rhues "Die Welle", Connor Kosticks "Epic" und meiner Vorgängerlektüre der gleichen Autorin, "Saeculum". Das führt auch zu dem einen abgezogenen Eselsohr. Denn originär sind die Gedanken nur, wenn man die ersten beiden Bücher noch nicht kennt. Außerdem hätte ich gerne - wie in Saeculum - eine farbliche Absetzung der Sequenzen aus der Schurken-Perspektive gehabt.

Ein gelungenes Buchdesign, das mich beim ersten
Weglegen effektvoll erschreckte. Toll, Loewe!

Eine Leseempfehlung ist es vor allem für die Teenager, die beginnen, mit World of Warcraft, Facebook und ICQ umzugehen. Der Grundakkord ist eine Warnung, keine Verurteilung. Die Faktoren werden sehr wirkungsvoll als Schwachpunkte eingewebt, die Schlüsse muss jeder selber ziehen.





"Erebos" war (leider?) bereits meine dritte Begegnung mit der Autorin Ursula Poznanski. Zu dem Zeitpunkt war für mich ein gewisses Muster erkennbar:
  • die Handlung spielt immer in einer Subkultur, einer verschworenen Gemeinschaften, die ein zeitintensives Hobby verbindet. 
  • die Romane sind immer mit bedrohlichen Sequenzen aus sehr eingeschränkten Perspektiven gespickt, deren Andeutungen der Leser erst rückblickend, mit fortschreitender Handlung versteht.
  • der Schurke ist immer ein Planungs-Genie und rachelüsterner Manipulator, der bereits irgendwann im ersten Drittel des Buches gesehen und als harmlos abgetan wurde.
  • es gibt immer eine Liebesgeschichte und belastbare neue Freundschaften, die außerhalb des schurkischen Plans liegen und das Zünglein an der Waage sind.

"Erebos" folgte bei mir auf das Hörbuch zu "Fünf", das mich neugierig machte und in dem die Helden etwa Mitte Dreißig sind, und den Thriller "Saeculum", der junge Studenten um die zwanzig zu Protagonisten macht und das mich total fesselte. In Erebos sind die Handelnden Teenager. Vielleicht hätte ich die Titel andersherum lesen sollen. Vielleicht hatte ich hier auch einfach mehr belastbares Halbwissen als ich es in den Welten von Geocashing oder Mittelalter-LARPs hatte. Auf jeden Fall war ich bereits eine skeptische Leserin, auf der Hut vor den -zugegeben- geschickten Manipulationen der Autorin.

Wer sich mit Internet-Technologie auskennt, dem wird "Erebos" oft ein Stirnrunzeln entlocken, denn das scheinbar Unerklärliche lässt sich mit etwas Hintergrundwissen sehrwohl schnell erklären. Dennoch: Als es an die Auflösung ging, hing ich an jedem Buchstaben.

Der Stil von Ursula Poznanski ist so intensiv, die Sprache so gefeilt, die Welt so gut beobachtet, dass man sich dem Sog nicht entziehen kann. Bei den Unbedarften unter uns, die nicht so recht wissen, was mit "verantwortungsbewusstem Umgang mit den eigenen Daten" gemeint ist, wird der Plot einen immensen Sog entwickeln.

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