Mittwoch, 7. August 2013

Mittwochs-Rezi: Wer niemals Reis mit Stäbchen aß von Polly Evans

4 von 5 Eselsohren

Ein gekonnter Reisebericht, der die chinesische Kultur und Lebensweise mit einem guten Blick für Details und das "Große Ganze" wiedergibt. Polly Evans sucht das alltägliche China hinter der politischen oder touristischen Selbst- und Fremddarstellung. Sie pflegt eine gesunde Mischung aus Reisebüro- und Individualreise und hangelt sich herrlich unchronologisch durch die historischen Wendepunkte und Phasen Chinas.



Die Autorin ist bereits mehrfach im "Reich der Mitte" unterwegs gewesen, sie ist organisiert und mutig, praktisch veranlagt und offen für Neues. Sie schreibt mit Witz und Charme. Das britische Original trägt übrigens den Titel "Fried Eggs with Chopsticks" also eher "Wer niemals Ei mit Stäbchen aß".

Vielleicht fand der deutsche Verlag, dass Ei nicht halb so chinesisch klingt wie Reis. Oder dass Deutsche bereits mit Reis und Stäbchen überfordert wären. Da sich im Buch jedoch eine Szene explizit auf das Spiegelei-Stäbchen-Problem bezieht, finde ich diesen Eingriff in die Titelgebung nicht besonders gelungen.

 Ein Eselsohr Abzug.



Vor allem verleitet mich die Mauschelei beim Titel natürlich zu der Frage, was sonst noch in der Übersetzung "eingedeutscht" wurde. So ein Reisebericht verrät ja in der Regel nicht nur viel über das Land, in dem er spielt sondern auch über das Land, aus dem der Autor kommt. Wenn ich mal so etwas lese, dann finde ich diesen Aspekt genau so spannend wie den Einblick in die eigentlich beschriebene Kultur. Polly Evans ist Britin und schreibt sehr viel über das Essen. [Fügen Sie hier ein hämisches Lachen ein.]

Elke Link, die Übersetzerin, scheint jedoch mit der Materie durchaus vertraut zu sein. Sie ist u.a. Stammübersetzerin von Amy Tan .

Ich bin gern mit Polly Evans (und Elke Link) durch China gereist. Wer einen Überblick über das "Woher kommen wir - wohin gehen wir?" Chinas sucht, ist mit dieser Reiseerzählung gut beraten. Maos Kulturrevolution, die Ming-Dynastie, der Einfluss Konfuzius, die Manche wird sie davon abbringen, je einen Fuß in dieses riesige, fremdartige, stinkende, stressende, komplizierte Land zu setzten. Manche werden jetzt erst recht in dieses riesige, fremdartige, wunderschöne, inspirierende, immer neue Land reisen wollen.

Ich wünsche allen Lesern so viel Spaß, wie ich hatte.

Ihr erstes Buch "Wo die echten Kerle wohnen" (über ihre Neuseeland-Reise mit dem Motorrad) wandert ebenso auf meine Wunschliste, wie die drei nur auf Englisch zu bekommenden Titel über Argentinien, Yukon Territories und Spanien.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen